Barbara Köster, SDS

Barbara Köster schreibt sich 1968 für ein Soziologiestudium bei der Johann Wolfgang Goethe-Universität ein.

Barbara Köster schließt sich zwar dem SDS an, gehört aber im Verlauf der Auseinandersetzungen nicht zur auffälligen Kampfgruppe des SDS um Frank Wolff, KD Wolff und Krahl. Auch meldet sie sich in dieser Epoche öffentlich nicht zu Wort. Lediglich in einem einzigen Fall fällt sie auf: Sie beteiligt sich an der Besetzung des Instituts für Sozialforschung am 31. Januar 1969 und wird im Verlauf der polizeilichen Räumung der Einrichtung festgenommen. Dies bestätigt ein Bericht der Polizei vom 1. Februar 1969.

Das Interview mit Barbara Köster

Dirk Frank als Redaktionsmitglied des UniReport interviewt Anfang 2018 Barbara Köster als „Zeitzeugin“ zu ihren Erlebnissen und Eindrücken im Jahr 1968. Das Protokoll dieser Befragung erscheint am 1. Februar 2018 im UniReport

In diesem Interview blickt sie mit Stolz zurück:

Die Kritik vieler 68er an der vermeintlich unpolitischen und konsumorientierten Jugend der Gegenwart kann Köster nicht nachvollziehen. Sie selber hat gute Erfahrungen mit jungen Leuten gemacht, berichtet begeistert von ihrer Mitbewohnerin, einer jungen Studentin, die im Bereich Food Sharing aktiv ist. „Diese Idee eines Teilens ist mir noch sehr vertraut, ich war ja auch immer von diesem Hippie-Geist beseelt“, schmunzelt Köster. Aktiv ist sie heute auch in der Flüchtlingsarbeit, trifft dort auf viele alte Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Sie ärgere sich, dass dieses Engagement von vielen Kritikern als „Gutmenschentum“ abgetan wird. Insgesamt zeigt sie sich sehr zufrieden mit dem, was ihre Generation auf den Weg gebracht hat, gerade auch im Bereich der Erziehung: „Ich habe noch Angst vor der autoritären Schule und vor meinen Lehrern gehabt, besonders vor Prüfungen. Mein Sohn hingegen konnte auch vor Klausuren normal durchschlafen – darauf bin ich wirklich stolz.“ Und sie ergänzt: „Und trotzdem ist aus ihm etwas geworden, er arbeitet heute als Anwalt.“ Wenn der begeisterte Surfer seinem Sport im marokkanischen Agadir nachgeht, erinnert ihn seine Mutter bisweilen daran, dass es der Entdeckergeist der 68er gewesen ist, der dieses ehemals unberührte Fleckchen Erde entdeckt hat. „Wir waren die Pioniere, dann kam Neckermann.“

Barbara Köster und Joschka Fischer

Sie habe damals in einer der ersten Kommunen Frankfurts gelebt. Mit Hans-Jürgen Krahl habe sie Seminare besucht, bei Joschka Fischer habe sie Bücher gekauft.

Allerdings ist hier anzumerken: Joschka Fischer, der nie Student der Frankfurter Universität war, hat die Karl-Marx-Buchhandlung in Bockenheim, in der Jordanstraße 11, erst 1970 gegründet. Das heißt: Barbara Köster kann 1968 noch keine Bücher bei Joschka Fischer erworben haben

Das Faszinosum Adorno aus der Sicht von Barbara Köster

Zu Adorno äußert sie sich wie folgt:

„Dass in Frankfurt ein Theodor W. Adorno von vielen Studierenden als Theoretiker des Aufbruchs angehimmelt wurde, war ihr anfangs überhaupt nicht klar. Aber auch sie fing Feuer, als sie bei Adorno ein musiksoziologisches Seminar besuchte. „Ein sehr konzilianter Mensch, der so sprach, wie er schrieb. Als ich zum ihm in die Sprechstunde ging, sprach er etwas altväterlich zu mir: ‚Mein liebes Fräulein Köster, jetzt müssen wir doch mal schauen, wie das mit Ihrer Bildung weitergeht‘.“ Sehr anspruchsvoll sei Adorno gewesen, man habe lange Literaturlisten abarbeiten müssen, doch sei sein Denkstil sehr verführerisch gewesen. Auch Köster eignete sich den Adorno-Sprech an und wurde Teil einer intellektuellen Subkultur, die sich über den akademischen Jargon erkannte. „‚Was redest Du denn eigentlich da‘, sagte mein Vater etwas irritiert, als ich in den Ferien nachhause kam“, lacht Köster.“

Sommer, Musik, Diskussion

Wenn sie heute an das Jahr 68 in Frankfurt zurückdenke, dann könne sie keine revolutionären Ereignisse nennen. Sie denke vielmehr an den Sommer, an die Musik der Stones, und vor allem an viele junge Leute, die miteinander redeten, diskutierten, flirteten – so ganz anders als das, was man noch Jahre vorher in seiner Heimat erlebt habe. In den Seminaren sei plötzlich nicht mehr nur doziert und zugehört worden:

Die Machokultur der SDS-Männer

Die Anführer des SDS seien meist Männer gewesen, Machokultur sei auch unter kritischen Geistern sehr verbreitet gewesen, konzediert Köster; allerdings erinnere sie sich auch an charismatische Frauen wie Antonia Grunenberg und Mona Steffen: „Die hielten tolle Reden, da dachte ich: Wow, das geht also auch.

Barbara Köster als Gründerin der Basisgruppe Soziologie

Mit einer Freundin habe sie eine Basisgruppe Soziologie gegründet, um Verbesserungen in der Struktur des Studiums zu erreichen. Auch wenn man sich mit Marx beschäftigt habe, sei es ihr selbst und ihren Mitstreiterinnen weniger ums revolutionäre Ganze gegangen. Man habe versucht, die SDS-Hardliner von der Basisgruppe fernzuhalten. Doch ohne Erfolg, denn nach und nach hätten Krahl & Co das Kommando übernommen.

Barbara Köster und die Aktionen

Irgendwann habe sich der SDS entschlossen , das Soziologie-Institut, das sich damals in einer alten Villa in der Myliusstraße befand, zu besetzen.

Allerdings vergisst Barbara Köster in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass sie sich an der Besetzung des Instituts für Sozialforschung am 31. Januar 1969 beteiligt hat und im Verlauf der polizeilichen Räumung der Einrichtung festgenommen worden ist. Dies bestätigt ein Bericht der Polizei vom 1. Februar 1969. 1969 sei dann das Jahr der Ernüchterung gewesen. Der SDS löst sich auf, die Revolution an den Universitäten sei im Bewusstsein der 68er gescheitert.

Drei Video-Interviews mit Barbara Köster

Überaus aufschlussreich ist, was die am 8. Oktober 2021 Verstorbene in einem Video vom 15.11.2011 rückschauend zur Gewaltbereitschaft der Studentenbewegung und das Gefühl, sich nicht unterkriegen zu lassen, äußert.

Zudem ist ebenfalls interessant, was sie am selben Tag in einem weiteren Video zum Problem Antiautoritäre Erziehung berichtet.

Schließlich hat sie umfassend in einem Videointerview vom 20. Juni 2014 ihre Impressionen mitgeteilt, die ihr die Frankfurter Studentenbewegung beschert hat.

Der Bericht in der Frankfurter Rundschaus vom 23. September 2019 über Barbara Köster: „Als die Frauen aufbegehrten

„Köster, die langjährige Leiterin der Frankfurter Frauenschule, ist gegenwärtig eine gefragte Zeitzeugin. 50 Jahre 1968: Am 1. November diskutiert sie auf dem Podium im Frankfurter Römer, wenn es heißt: „18 trifft 68“. Junge Frauen und Männer, die sich heute zum Beispiel im Asta der Goethe-Universität engagieren, sprechen mit der 68er-Generation. Am 4. November hält die Psychotherapeutin die Eröffnungsrede, wenn das Frauen-Museum in Wiesbaden sich des Themas 68er-Revolte annimmt. Für sie ist es ganz ungewohnt, über diese Zeit des Aufbruchs öffentlich zu sprechen. „Ich rede nicht viel über 68, es bewegt sich in meinem Inneren.“ Tatsächlich hat sie keinen Kontakt mehr zu den Frauen, mit denen sie vor fünf Jahrzehnten für die Emanzipation kämpfte. „Ich weiß nicht, wo die Frauen abgeblieben sind, ich finde es ein bisschen traurig.“ Sie streicht mit der Hand das blonde Haar mit den Silberfäden zurück, wirkt plötzlich sehr mädchenhaft. ……………. Im Wintersemester 1967 stieg die junge Frau in Frankfurt ins Studium ein. Es ging an der Universität noch recht bürgerlich zu: „Hosen waren bei Frauen nicht verbreitet, und man wurde noch mit Fräulein angeredet.“ Die Studenten führten „Aluminiumschachteln mit Butterbroten“ mit sich. Doch ihre Kommilitonin gehörte schon zu einer Minderheit: Sie hatte sich in München das Kiffen angewöhnt und war ständig im Bahnhofsviertel unterwegs, um Nachschub zu beschaffen. ………………..as dann geschah im Jahr der Revolte, ist heute Geschichte. Aber als Subjekt dieser Geschichte wehrt sich Köster erkennbar gegen Verklärung. Im Februar 1968 trat sie dem Sozialistischen Studentenbund (SDS) bei. Doch die SDS-Männer lösten bei ihr wenig Begeisterung aus: „Immer das Saufen, das war mir fremd.“ ………..Aus ihrer Sicht agierten die männlichen Revolutionäre oft „sozial inkompetent“. Sie ging zum Beispiel nie in den verrauchten Kolb-Keller im Studentenheim am Bockenheimer Beethovenplatz, wo die Männer das große Wort führten und die Frauen zuhören sollten. Für sie war das „nicht sexy“. Am 13. September 1968, beim SDS-Bundeskongress in Frankfurt, begannen die Frauen sich zu wehren. Die Studentin Sigrid Rüger feuerte drei Tomaten auf den intellektuellen Kopf des SDS, Hans-Jürgen Krahl – eine traf. Mehr Betroffenheit noch löste Rügers Ruf aus: „Genosse Krahl, du bist objektiv ein Konterrevolutionär und ein Agent des Klassenfeindes noch dazu!“ ………………….. Von da an war kein Halten mehr. „Die Parole hieß jetzt: Heute abend treffen sich die Frauen!“ 20 Frauen, sagt Köster, seien anfangs im Weiberrat dabei gewesen. Noch heute spricht sie mit höchster Anerkennung von ihrer Mitstudentin Silvia Bovenschen. Die spätere Schriftstellerin sei sehr selbstbewusst aufgetreten: „Ich hab sie bewundert für ihr Coolsein.“ ………… Noch 1968 traf Barbara Köster an der Universität auf einen Mann, der so ganz anders war als die trockenen Wortführer des SDS, die die Kritische Theorie verinnerlicht hatten. Der 23-jährige Daniel Cohn-Bendit war als Anführer der französischen Studentenrevolte gerade von Präsident de Gaulle aus Frankreich ausgewiesen worden. Er musste binnen Stunden eine neue Heimat finden – und entschied sich für Frankfurt, das er schon aus seiner Kindheit kannte. ————- Köster verliebte sich heftig in ihn. Den Mann, der das gute Essen mochte und einen guten Wein. Der nicht die Theorie schätzte, sondern die feurige Rede und die Aktion. Heute fasst sie in einen Satz, was sie damals anzog: „Dany ist kein Schwein.“ Ohne Cohn-Bendit, das gibt sie freimütig zu, wäre sie nicht in Frankfurt geblieben, sondern nach München zurückgegangen. …….. So aber wurde die Psychotherapeutin in Frankfurt zu einer herausragenden Akteurin der Frauenbewegung. Sie arbeitete zunächst als Kursleiterin, dann lange Zeit als Geschäftsführerin der Frankfurter Frauenschule. Am Fensterrahmen ihres Wohnzimmers lehnt eine kleine, gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie. Sie zeigt ihre Großmutter, auf die sie sehr stolz ist. „Meine Oma war Feministin, die hat sogar schon einen Autoführerschein gemacht.“

Eine Todesanzeige

Barbara Köster, Studentenbewegung Frankfurt
Todesanzeige in der FAZ Rhein Main vom 23102021