07.01.1969: Das Schütte -Teach in

Studenten der Abteilung für Erziehungswissenschaften haben Kultusminister Schütte eingeladen, zu den Fragen der Lehrerbildung Stellung zu nehmen, die seit seiner Ankündigung, das Studium für den sogenannten „Stufenlehrer“ auf sechs Semester zu beschränken, an der Universität für Unruhe sorgen.

Das Schütte-Teach In am 7. Januar 1969

In der bis zum Bersten gefüllten Mensa entwickelt sich am 7.1.1969 zwischen den Studenten und Schütte eine stürmische Diskussion.

KD Wolff fragt den Minister, inwieweit er sich mit dem Aufruf des Rektors vom 6.1.1969 identifiziere. Schütte erklärt, den Aufruf im einzelnen nicht zu kennen, wird dann aber deutlich, als man ihm vorhält, daß der Rektor angekündigt habe, bei der „Besetzung“ von Instituten die Polizei zu rufen. Seine Antwort darauf ist lapidar und kurz: „Gewalt wird mit Gewalt beantwortet“. Dies sorgt für eine hitzige Atmosphäre, die sich während der Anwesenheit des Ministers nicht mehr abkühlt. Die Studenten reagieren mit vielstimmigem Protestgeschrei, das immer neue Unruhe nach sich zieht und eine sachlich geführte Diskussion unmöglich macht. Schüttes Bitte an die Anwesenden, Fragen zum Lehrerstudium zu stellen, wird zwar entsprochen, indem ein Student sich erkundigt, welche „politischen und pädagogischen Gründe“ die Landesregierung denn habe, das Lehrerstudium nicht auf acht Semester zu erhöhen. Schütte entgegnet, es sei ihm „zu primitiv“, nur mit sechs oder acht Semestern zu rechnen, entscheidend sei, wie das Studium inhaltlich gestaltet werde. Darum stellt er an die Studenten die Gegenfrage, weshalb sie bisher nicht dafür plädiert hätten, die Vorlesungen abzuschaffen, oder weshalb sie nicht ein eigenes Modell entwickelt hätten, wie das Lehrerstudium zu organisieren sei. Jedenfalls werde die Abteilung für Erziehungswissenschaften „völlig in die Universität integriert“ werden und wahrscheinlich in ihr „mit ein oder zwei Fachbereichen“ vertreten sein. Eine gleichwertige Ausbildung für Studienräte und „Stufenlehrer“ könne es aber nicht geben. Die Gesamtschule sei eine differenzierte Schule, die den Fachlehrer unbedingt brauche. – Hier hakt Daniel Cohn-Bendit mit der Gegenfrage ein, ob Schütte meine, daß ein Universitätslehrer nicht eine ebenso qualifizierte Ausbildung verlange wie ein Lehrer von gerade schulpflichtig gewordenen Kindern. Eine Antwort darauf kommt nicht mehr zustande, weil Cohn – Bendit die sich in der Bundesrepublik anbahnende Entwicklung nicht nur auf dem Gebiet der Erziehung mit der im Jahr 1933 vergleicht, sondern auch die These vertritt, die Verfestigung der Strukturen deute heutzutage auf Ähnliches hin. Die Auseinandersetzung zwischen Schütte und Cohn – Bendit gipfelt am Schluß der Diskussion in der Frage Schüttes, ob er und seine Anhänger „die“ Studentenschaft darstellten. Die hierauf folgende Tumulte sind noch schlimmer als zu Beginn, so daß Schütte empört äußert, er werde nicht weiter diskutieren. Als er versucht, den Saal zu verlassen, hindern ihn hieran minutenlang Versammlungsteilnehmer. Ineinandergehakt bilden sie Menschenketten, die Schütte den Weg nach draußen versperren. Als der Minister sich standhaft weigert, wieder an das Mikrophon zu treten, erlahmt der Elan, ihn weiter aufzuhalten. Schließlich kann Schütte mit großer Kraftanstrengung den Ausgang erreichen und den Diskussionsort verlassen. Im Hinausgehen erklärt er, eine derartige Versammlung werde er nie wieder besuchen.

Aufschlußreich ist am nächsten Tag ein vom Streikkomitee herausgegebenes Flugblatt, das kämpferisch auf den Besuch des Ministers reagiert. Unter anderem enthält das Pamphlet folgende Passage:

„Eine Hoffnung wurde gestern endgültig zerstört; daß der Staat bloßen Forderungen nachgibt, seien sie noch so vernünftig begründet. Niemand kann mehr die Illusion haben, wir könnten Hochschulreform wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk erwarten. – Erfolg und Niederlage der Studenten messen sich allein an der Macht praktischer Organisation in den einzelnen Instituten und Arbeitskreisen! – Dort ist die Stelle, an der alle Studenten sich beteiligen können, Massen – Teach-Ins, auf denen nur wenige reden können, ersetzen die inhaltliche Arbeit der einzelnen Fächer nicht. Deshalb müssen in speziellen Vollversammlungen die aktuelle Lage diskutiert und Kampfmaßnahmen organisiert werden. – Einige Drohungen des Rektorats sind gefährlich. Aber sie können abgewehrt werden, wenn die Studenten so geschlossen wie möglich handeln, – gegen Polizeibesetzung eines Instituts sofort andere Räume für die inhaltlichen Arbeitskreise bereit stellen. – bei Relegation herausgegriffener Kommilitonen sofort den Widerstand auf die gesamte Universität ausdehnen. – alle Repressionen sofort massenhaft bekanntmachen (Flugblätter, AStA, etc.) – Die Landesregierung und das Rektorat wollen die Studenten als Freiwild behandeln. Die Universitätsbürokraten verraten die Autonomie der Wissenschaft. – Die Universität sind wir![1]

Flugblatt>08.01.1969>>Streikkomitee: „Streik ist Streik! (Schütte gestern auf dem Teach In)“

Von einem Nachgeben der Agitatoren kann also keine Rede sein. Statt dessen kündigen sie weitere Kampfmaßnahmen an.

Die Flugblätter zum Schütte-Teach In


690105FlugblattASTAGegen technokratische Hochschulreform
690106FlugblattAnonymKritik am SchütteTeach In
690107FlugblattRepublikanische HilfeGegen die Staatsgewalt
690107FlugblattAnonymAufruf zum Schütte Teach In
690107FlugblattBasisgruppenratAufruf Schütte Teach In
690107FlugblattBasisgruppe AFEStreikt weiter
690108FlugblattStreikzentraleDie Universität sind wir
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RARiehn