Autor: Rechtsanwalt Hartmut Riehn * ehemals Justitiar des Rektorats
Café Laumer
In den unruhigen Monaten der Studentenbewegung – 1967 bis 1969 – ist auch das Café Laumer in der Bockenheimer Landstraße 67, das von jeher Treffpunkt der Professorenschaft der Universität Frankfurt und ihrer Studenten ist, nicht die Insel der Seeligen.
Hier stritten Theodor W. Adorno und Max Horkheimer mit ihren Widersachern über neue Wege für die Soziologie und in eine bessere Zukunft. Schon in den 1920er Jahren war das Lokal ein intellektueller Treffpunkt der Mitglieder des Instituts für Sozialforschung. Zur Zeit der Studentenproteste lebte es wieder auf.
Das Café Laumer wird gestürmt – die Tortenschlacht
Eine Tortung
Gefürchteter Demonstrant ist der Kommunarde Fritz Teufel. Immer wenn er sich in der Stadt aufhält, ist im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los. Dies bekommt auch der Besitzer des gutbürgerlichen Café Laumer auf der Bockenheimer Landstraße, Helmut Rimbach, am Sonntag, 15. September 1968, zu spüren. Er zieht den Zorn der Frankfurter Provokateure auf sich, weil er sich mehrmals weigert, einige Jugendliche zu bedienen, die schäbig gekleidet ins Café kommen. Nun wollen rund 150 “Provos” das Café stürmen – in ihrem Gefolge: Fritz Teufel.
Die Demonstranten versuchen mehrmals einzudringen – die herbeigerufene Polizei kann dies verhindern. Plötzlich fliegen Tortenstücke und Mohrenköpfe Rimbachscher Produktion auf die Polizisten. Den “Provos” ist es gelungen, diese, als Normalbürger “verkleidet”, aus dem Café zu schmuggeln. Der “Sprücheklopfer” Teufel, der sich auf dem Dach eines Schaukastens am Café niedergelassen hat, verhindert, dass die Situation in einer Schlägerei endet, schreibt der FR am folgenden Tag. Er bringt den Geschäftsführer Rimbach sogar dazu, ihm ein Glas Wasser und ein Stück Kuchen servieren zu lassen.
Die Frankfurter Presse berichtet über die Tortenschlacht
Oliver M. Piecha erläutert diese seltsame Einrichtung wie folgt: „In einem Keller neben dem Hotel Palmenhof befand sich im Sommer 1968 das Frankfurter Hippiezentrum, der nach der Freundin des Gründers »Pidschi« Hübsch (seit seinem Übertritt zum Islam: Hadayatullah Hübsch) benannte »Heidi- loves-you-shop«. Als die Hippietruppe einmal nach einer AcidNacht im Grüneburgpark spontan beschloss, im Café Laumer zu frühstücken, rückte die Polizei an und nahm den »Jungdichter Hübsch« mit. Gegen die polizeiliche Räumung des Shops mit angeschlossenem »Törn-Verlag« im Herbst 1968 protestierte auf der Buchmesse umgehend die junge linke Autorengeneration von Guntram Vesper bis Rolf Dieter Brinkmann. Apropos Café Laumer: Hier traf sich bis 1933 das »Kränzchen« des Instituts für Sozialforschung, und nach dem Krieg dozierte Adorno im Laumer im Anschluss an seine Seminare noch ein bisschen weiter.“
„Seit vier Jahrzehnten schreibe ich über Daniel Cohn-Bendit. In all dieser Zeit haben wir über eines kaum gesprochen: über seine Leidenschaft für den Fußball. Doch jetzt, kurz vor seinem 75. Geburtstag, veröffentlicht der Politiker der Grünen ein Buch, das sein Leben im Fußball spiegelt. Wir betreten in unserem Gespräch also Neuland. Wir tun es aber an einem vertrauten Ort: Im Café Laumer in der Innenstadt von Frankfurt am Main. Es ist das Lieblingscafé Cohn-Bendits. Hier frühstückte schon der Philosoph Theodor W. Adorno, hier begehrten 1968 die revoltierenden Studenten Einlass bei der berühmten „Tortenschlacht“.“
Anmerkung Riehn: Es waren keine revoltierenden Studenten, sondern ein versprengtes Grüppchen von Chaoten unter der Leitung des Jungdichters Hübsch (siehe oben).
Das Café (Laumer) der trunkenen Philosophen
In seinem Buch „Das Café der trunkenen Philosophen“ bringt Wolfgang Martynkewicz das Café Laumer zu neuen und alten Ehren. Zitat des Aufbauverlags: „Das gepflegte Café Laumer in Frankfurt-Westend wurde im Sommer 1930 zum Treffpunkt einer illustren Gruppe: Von der geselligen Atmosphäre angelockt, trafen hier die Anhänger des Instituts für Sozialforschung auf den Kreis um Karl Mannheim und Norbert Elias. Die gegensätzlichsten Positionen prallten aufeinander, während in einem Punkt bemerkenswerte Einigkeit herrschte: In der Soziologie sah man die neue Königsdisziplin. Man riskierte einen völlig anderen Blick, befreite sich vom hochgestochenen metaphysischen Denken und wollte endlich die »wirkliche Welt« betrachten. Wolfgang Martynkewicz verfolgt die Lebenswege der prominenten Diskutanten des »Kränzchens« von ihren Anfängen über das Exil bis in die junge Bundesrepublik und führt anschaulich vor Augen, wie die Revolutionierung der Lebensart mit der Revolutionierung des Denkens einherging.“
1 Auflage 2022
Besonders spannend sind hier die Seiten 107 bis 122, auf denen wir Theodor Adorno, Karl Mannheim, Max Horkheimer, Norbert Elias, Paul Tillich, Friedrich Pollock und Hannah Arendt begegnen: